Stellungnahme zu Haushaltssatzung und Haushaltsplan 2024

Fraktion der Freien Wähler im Stadtrat der Stadt Philippsburg
Stellungnahme zu Haushaltssatzung und Haushaltsplan 2024
-es gilt das gesprochene Wort !

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Martus,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr geehrte Mitglieder der Verwaltung, des Gemeinderates und der Ortschaftsräte!

Ausgangslage – Familien sind Teil der Infrastruktur !
Den Menschen wurde in der jüngsten Vergangenheit viel zugemutet, viele sind ärmer geworden. Der Druck im sozialen Bereich wird größer. Viele sind verunsichert. Diese Verunsicherung nutzen zu allen Zeiten radikale Menschenfänger von rechts. Fragt sich, was wir als Kommune tun können. Alles ist besser als Krieg. Aber wohin geht unser Blick nach vorne? Was können wir unseren Bürgerinnen und Bürgern als demokratische Alternative anbieten ?

Wer steuern will – muss wissen wo er steht. Wer steuern will – muss Verantwortung tragen.
Wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben. Stellt sich die Frage, welches Geld haben wir und für was geben wir es aus? Schon darüber gehen die Beschreibungen auseinander.
Zum wiederholten Mal stellen wir auch in 2023 einen Einmaleffekt fest, der zeigt, wie wenig belastbar Prognosen sind. Aber unser Gewerbe kam besser durch die Krisen als befürchtet. Netto können wir ca. 7 Mio auf die hohe Kante legen und mit den nächsten Haushaltsjahren verrechnen. Gewerbe- und Einkommensteuer zeigen sich stabil und wachsen. Wir rechnen in 2024 mit fast 5 Mio € Mehreinnahmen aus Zuweisungen und Steuern. Da wir gleichzeitig ca. 14 Mio € investieren, müssen brauchen wir ca. 8 Mio € aus dem Sparbuch. Die Investitionen in die Zukunft rechnen sich. Um diese Werte zu erhalten bedarf es aber einer jährlichen Rückstellung von ca. 4 Mio €. Hohe Einnahmen aus Grundstückverkäufen dürfen als Einmaleffekt nicht eingerechnet werden. Im Verhältnis zu den Krisen und im Blick auf vergleichbare Kommunen ist das für 2024 erwartete Minus von ca. 1 Million € fast schon ein Erfolg. Es sind aber nicht nur Krisen – auch positive Tarifabschlüsse sind Mehrausgaben. Auch bei mancher Fehlkalkulation anderer Stellen, saßen wir z.B. mit einer halben Million Euro plötzlich mit im Boot.
Niemand besitzt die berühmte Glaskugel. Obwohl wir mit Rückstellungen auf stark schwankende Einnahmen und Umlageverpflichtungen reagieren, bewegen wir uns bei vergleichbaren Einnahmen und Ausgaben und gleich hohen Investitionen in Richtung leerer Kasse. Aber unsere Situation ist besser, als die der meisten Kommunen. Wir brauchen keine Schuldenbremse.Wir sind schuldenfrei. Uns fahren keine Zinsen an die Wand. Nach Jahren der Hochkonjunktur in Deutschland ist die Infrastruktur marode. In Phlippsburg nicht. In den Hauptproblemfeldern der Kommunen wie dem Ausbau der Kindergartenplätze und der Sanierung der Schulen und der Versorgungs-Infrastruktur sind wir bereits gut und zukunftsfähig aufgestellt.

Unser Haushalt stabilisiert sich.
Auch ohne Kernkraftwerk und Goodyear können die Gewerbesteuerzahlungen stabil gehalten werden. Es besteht die berechtigte Chance, dass diese gesteigert werden können. Mit der Neuansiedelung von Gewerbe auf dem Werksgelände der Goodyear und dem bisherigen Zentrallager bzw. der Salmkaserne lösen wir uns aus der Abhängigkeit von nur einem Gewerbesteuerzahler. Das wirkt auch auf die Arbeitsplätze und eine stabile und steigende Einkommensteuer mit über 7 Mio. €. Unser Haushalt beweist sich momentan als krisenfest.

Zugewiesene Aufgaben und Ausgaben in allen Stadtteilen.
Familien sind Teil der Infrastruktur.
Natürlich haben wir ein Ausgabeproblem. Viele Ausgaben sind uns zugewiesen oder gehören nach unserer Auffassung zur sozialen Infrastruktur. Leistungen der Gemeinde sind nach § 78 der GemO zwar kostendeckend zu erheben – soweit vertretbar und geboten. Soll der Schwimmbadbesuch oder ein ausgeliehenes Buch 20€ betragen? Natürlich wird die Kleinkindbetreuung subventioniert. Das ist eine Zukunftsinvestition! 11 % unserer Kosten – fast 5 Mio € beträgt das Betriebskostendefizit in bald 8 Betreuungseinrichtungen. Aber gerade junge Familien sind ein Teil der Infrastruktur. Was wir in frühkindliche Bildung investieren – bildet die Arbeitskräfte von morgen. Wenn wir hier nicht investieren, zieht ein Mangel den anderen nach sich. Das Personal kostet. Wenn 2 Erzieherinnen ausfallen, kann mindestens ein Elternteil nicht zur Arbeit und es fallen mitunter 25 Arbeitskräfte aus.
Wir haben die Unterbringungskosten im Migrationsbereich nicht erfunden. Auch die Tarifabschlüsse im Personalbereich werden nicht in Philippsburg ausverhandelt. Ohne eine Stelle mehr sind die Personalkosten inzwischen über der Latte von 10 Mio €. Die Inflation verteuert unsere gesamten Sachausgaben. Dies betrifft nicht nur Philippsburg, sondern alle Kommunen.
Den rasant steigenden Aufwendungen stehen vertretbare – aber mit Augenmaß gebotene Steigerungen der Gebühren in den Bereichen Friedhof, Obdachlosen- und Flüchtlingsunterbringung, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und auch der Kinderbetreuung gegenüber. Noch immer unterhalten wir eine der günstigsten Wasserversorgungen im Ländle.
Zu all diesen Aufgaben ist die Stadt verpflichtet. Kommunale Selbstverwaltung klappt dann, wenn sie ausfinanziert ist. Wären die Zuweisungen des Landes in der Kinderbetreuung auskömmlicher, wäre unser Strukturproblem deutlich kleiner. Trotzdem sind es allgemeine Steuermittel und wir müssen wo es geht, Kosten reduzieren. Ohne eine Reduzierung der Aufwendungen wird kein ausgeglichener Haushalt zu schaffen sein. Dazu müssen wir unsere gesamten Verwaltungsleistungen auf Pflicht oder Freiwilligkeit auf den Prüfstand stellen. Eine schöne Floskel. Denn die Pflichtaufgaben stehen fest und die Ertragsseite ist unserer Auffassung nach ausgeschöpft. Deshalb sehen wir auch am Beispiel der Grundsteuer eher eine Halbierung, um die Bewohner im eigenen Eigentum vor bösen Überraschungen zu schützen.
Auf der Ertragsseite wurde einiges unternommen, um das Strukturdefizit zu halbieren. 2021 lag der Aufwandsdeckungsgrad bei 83 % – für das Jahr 2024 rechnen wir mit einem Deckungsgrad von fast 98 %! Zitat unseres Kämmerers: „Der Haushalt gibt Rückenwind und ist generationengerecht. Er bietet eine gute Basis um mittelfristig einen Haushaltsausgleich zu erreichen“. Trotz Förderung sind unsere Investitionen mit 14 Mio € enorm. Gerade wenn die Wirtschaft schwächelt, muss die Stadt für Aufträge in in der Gemeinde sorgen.
Zusätzlich senken wir mittelfristig unsere Kosten in dem wir in Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung, Bildung, Infrastruktur, Kinderbetreuung, energetische Ertüchtigungen des Gebäudebestands investieren. Unsere Infrastruktur ist zukunftsfähig gewartet und ausgerichtet. Damit bauen auch wir am Haus der Generationen weiter. Wir können stolz darauf sein, was alles erreicht wurde! Während wir Kindergärten und Schulen hervorragend unterstützen, schafft es das Schulsystem nicht, die Kinder so zu fördern, wie es nötig wäre. Schon 15 Jahre vor Corona und vor der Migration produzierte das System 20 % Schulversager, die nicht richtig lesen, schreiben oder rechnen konnten. Schulen Top – Pisa ein Flopp ! Diese Unfähigkeit im System zeigt sich bereits im Kindergarten Deshalb sind wir für verbindliche Sprachtests bereits im Kindergarten und die verbindliche Teilnahme an Sprachförderprogrammen. Mindestens eine Möglichkeit um auf den hohen Migrationsanteil in unseren Einschulungsklassen zu reagieren.

Die Weichen sind gestellt!

Wie beim Haushalt brauchen wir uns angesichts der Dynamik bei sauberen Technologien und eigenen Entscheidungen nicht zu schämen, wenn wir optimistisch in die Zukunft blicken. Klimaschutz hat auch in Philippsburg Verfassungsrang. Die Wärmewende in Philippsburg steht in den Startlöchern und ist mit dem Beschluss zur Zusammenarbeit mit der Energieagentur des Landkreises eingeleitet. Leider konnten wir die CDU dafür nicht gewinnen. Das kommunale Energiemanagement ist im Aufbau. Aber unsere Grundversorgung muss dauerhaft zuverlässig, CO2-neutral und bezahlbar sein. Wie der Landkreis sehen wir in der Geothermie und in der Solartechnik eine große Chance. Der neue Gemeinderat wird das Entstehen eines Wärmenetzes insbesondere für die Industrie und am Campus begleiten können. Dabei müssen wir mehr auf unseren heimischen Wald setzen. Moderne Heizungssysteme und sanierte Gebäude reduzieren Folgekosten. Dennoch sind bei allen Entscheidungen stets die gesetzten Standards zu hinterfragen. Auch eine Floskel. Wir sollten uns im Gegenteil öfters mit Standards zufrieden geben und das Tempo aus unseren Projekten nehmen. Nicht alles, was wir im Blick haben, kann umgesetzt werden. Wir brauchen keinen Schwimmbadneubau – eine schrittweise Sanierung des bestehenden Schwimmbades und der Sporthalle reicht. Natürlich brauchen wir das Hallenbad für die Schulen und die Vereine. Irgendwo müssen unsere Kinder schwimmen lernen. Ein Waldkindergarten ist günstig und erweitert unser Angebot.

Der Haushaltsplan ist der verbindliche Rahmen für das jeweilige Haushaltsjahr. Daran haben wir – wie jede – Fraktion mitgewirkt.

Wir argumentieren Sitzung für Sitzung und tragen zu den Lösungen bei. Deshalb stehen wir zu dem Beratungsergebnis und tun nicht so, als wären wir nicht dabei gewesen.
Wir sind für:
• Die Umsetzung des Feuerwehrbedarfsplanes mit Notstromkonzept und Erweiterung der Feuerwehrhäuser in Rheinsheim und Huttenheim
• Die Umsetzung des Fahrzeugkonzeptes im städtischen Bauhof und Zusammenlegung mit der Gärtnerei (1,3 Mio €)
• Die Vergabe städtischer Wohngrundstücke in Erbpacht
• Barrierefreier Ausbau Bushaltestellen (500.000 €)
• Die Beteiligung an den Investitionskosten zur Modernisierung des Kindergartens St. Agnes in Rheinsheim (mit 80 % bzw. 1,2 Mio €)
• Sanierung der Grundschule Rheinsheim (650.000 €)
• Erneuerung Reginesheimer Straße (500.000 €)
• Neubau des Kindergartens Erlenwiesen (5 aus 12 Mio €) und des Waldkindergarten in der Molzau
• Schrittweise Sanierung von Rathaus und Dekan-Gothe-Haus in Huttenheim (700.000 €)
• Den Dorffestplatz/Herschbockplatz Huttenheim (422.000 € )
• Eine Grundsatzentscheidung zur Planung eines Bildungshauses in Huttenheim durch Zusammenlegung von Kindergarten, Grundschule, Kernzeitbetreuung, Schulsozialarbeit und Jugendzentrum (Planungsrate 200.000 € / Gesamtkosten 15 Mio.)
• Windkraftanlagen sehen wir – wenn überhaupt wirtschaftlich – nur auf den Poldern Elisabethenwört und Rheinschanzinsel. Angesichts der gegebenen Belastungen Philippsburgs fordern wir den Regionalverband auf, Windkraftanlagen in ergiebigeren Gebieten zu installieren, zumal bereits auf anderen Gemarkungen 7,5 % der Fläche als geeignet definiert sind.
• Wir sind gegen eine Zerschneidung unserer Kommune durch eine Gütertrasse mit Tunnel unter dem Rhein. Wir sind für eine Bündelung der Verkehrs- und Güterwege entlang der BAB 5.

Blick nach vorne !
Philippsburg ist lebenswert. Das ist nicht nur Lokalpatriotismus. Nach Kriterien wie Bildungs- und Betreuungsangebot, ÖPNV-Anschluss, Entwicklungsprognose, Gewerbeansiedlung etc. landete Philippsburg auf Platz 21 von 900 teilnehmenden Kleinstädten! (Kommunal.11/23 // 21).
Im Hinblick auf die bevorstehende Kommunal- und Europawahl hat auch das Ehrenamt der Kommunalpolitik Nachwuchsprobleme. Immer weniger wollen sich kommunalpolitisch engagieren. Das trifft auch die Freien Wähler. Wer sich engagiert, zeigt grundsätzlich guten Willen, sich um die Gemeinschaft zu kümmern. Das stabilisiert das demokratische Netz. Dazu muss man nicht Mitglied einer Partei oder Wählervereinigung sein. Dass sich zunehmend Bürgermeister für die Freien Wähler entscheiden, freut uns. Mit Boris Palmer,Tobias Borho oder Jürgen Wacker haben sich weitere Politiker für unsere bürgerlich-liberale Grundhaltung entschieden. Dazu gehört unser Verständnis von Demokratie. Demokrat ist, wer in der Lage ist, zum Nutzen vor Ort, Kompromisse zu erkennen und noch besser, Kompromisse hin zu bekommen.
Auch im Gemeinderat muss sich jede Fraktion zuweilen von einem Projekt trennen. Auch wenn alle Ausgaben auf ihre Notwendigkeit geprüft und Prioritäten gesetzt werden, müssen Lasten gerecht verteilt werden. Als Stadt können wir Gebühren nur unterschiedslos an alle Bürgerinnen und Bürger weitergeben. Das trifft natürlich finanziell Schwächere, das trifft vor allem junge Familien mehr. Deshalb werben wir dafür, Familien als Teil unserer Infrastruktur zu sehen.

Grund zur Dankbarkeit
Unsere Stadt insgesamt, vor allem unser städtisches Personal, unsere Blaulichtfraktionen (Feuerwehr/DRK/Polizei) und unsere Ehrenamtlichen in den Vereinen organisiert oder rein privat, haben gezeigt, dass wir Krisen standhalten. Auch die Gemeinde- und Ortschaftsräte haben in ihrem Ehrenamt Verantwortung gezeigt um die Zukunftsfähigkeit Philippsburgs zu stärken. Zu Recht werden im Gemeinderat und in jeder Art von Bürgerinitiativen Sachthemen unterschiedlich debattiert. Aber das Ziel bleibt, Krisen zu meistern und uns zukunftsfähig zu halten. Das Werkzeug heißt nicht „Sieg oder Niederlage“, sondern Kompromiss und vor allem Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen. Natürlich hoffen wir als Freie Wähler in der Kommunalwahl darauf, dass unsere konstruktive Arbeit gestärkt wird. Aber wir bedanken uns auch für die geführten Debatten bei allen gewählten Fraktionen. Bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU, der ULI und der SPD unter ihren Fraktionsvorsitzenden Hans-Gerd Coenen, Peter Steinel und Jasminè Kirschner für die Zusammenarbeit.
Abschließend möchte ich mich bei unserem Fraktionsvorsitzenden Peter Kremer, den Freunden der Freien Wähler, der Fraktion und unserem Stadtverband unter Jochen Schulz sowie unseren Mitgliedern für ihre Unterstützung bedanken.
Uns allen wünschen wir eine Erfüllung unserer guten Hoffnungen – vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Um es nicht zu vergessen – wir stimmen dem Haushaltsplan und dem Wirtschaftsplan zu.

Fraktion der Freien Wähler
Marion Kohout

 


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